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Digitale Selbstverteidigung im Zeitalter von Google, Meta & Amazon

Digitale Selbstverteidigung

Nichts zu verstecken

Privatsphäre sollte allen wichtig sein, auch wenn sie nichts zu verstecken haben, wie allen Meinungsfreiheit wichtig sein sollte, auch wenn sie nichts Kontroverses zu sagen haben. Paranoid.is behandelt Strategien für ein sicheres, produktives Onlineleben, mit einem Augenmerk auf der Steigerung der Privatsphäre und Sicherheit.

Privatsphäre nicht gleich Sicherheit

Sicherheit ist unter anderem der Zugriff zu etwas oder sich selbst schwierig zu gestalten. Dies kann passiv sein wie etwa der Einsatz eines Fahrradschlosses oder aktiv wie die Verteidigung mit einer Schusswaffe. Ein Haus stabil zu bauen, bietet eine erhöhte Sicherheit vor Erdbeben. Auch ein Passwort und die Schließung von Sicherheitslücken gehören zur Sicherheit. Privatsphäre hingegen ist der persönliche Bereich jedes einzelnen. Die Verteidigung der Privatsphäre hat das Ziel, diesen persönlichen Bereich frei und unabhängig zu belassen, ohne von Dritten eingeschränkt zu werden. Die Privatsphäre kann durch einzelne verletzt werden, etwa ein Nachbar, der einem beim Umziehen zuschaut oder von Unternehmen wie die nicht eingewilligte Datensammlung oder durch Staaten wie die Verfolgung durch eine Behörde.

Überwachungsstaat oder Überwachungs AG?

Der Überwachungsstaat ist ein Konzept, in dem der Staat seine Bürger so gut wie möglich zu kontrollieren versucht. Oft kommt diese Kontrolle mit einer hohen Sicherheit, da gewaltbereite Menschen bei Überschreitungen, oder auch schon davor, wirksam aufgehalten werden. Der Preis ist die eingeschränkte Entfaltung des einzelnen. In den westlichen Ländern herrscht noch viel Freiheit und die Privatsphäre wird durch politische Hürden nur sehr langsam abgebaut. Es ist jedoch leicht vorzustellen, dass die westlichen Staaten in den nächsten Jahren mehr Macht an die großen Tech-Firmen abgeben müssen, die im Daten und Geld sammeln viel erfolgreicher sind. Dies könnte eine noch nie dagewesene Kontrolle von ein paar wenigen mit sich führen über fast alle, ohne an Grenzen gebunden zu sein. In anderen Teilen der Erde ist hingegen der Überwachungsstaat im klassischen Sinne weit fortgeschritten. So kann eine freie Meinungsäußerung, die gegen die Ansichten des Staates gehen, gerade bei öffentlichen Personen und Journalisten gefährlich sein.

Böses im Sinn

Organisiertes Verbrechen nennt sich nicht zufälligerweise so. Wer organisiert ist und ein Bedarf nach sicherer Kommunikation hat, kann dies auch erreichen. Verschlüsselung ist Mathematik. Wenn gute Verschlüsselung bei einem Produkt verboten wird, wird ein anderes verwendet oder eines selbst geschrieben. Die eigentlichen Leidtragenden sind die Laien, die nun ein unsicheres Produkt nutzen. Der Kampf gegen Verbrecher hat nichts zu tun mit dem Datensammeln ganzer Nationen. Somit soll ein Ausspionieren der Bürger nicht im Namen vom Schutz für genau diese passieren.

Daten als Währung

Das gefährliche Konzept von Produkten und Dienstleistungen, die kein Geld kosten und stattdessen die Daten des Nutzers sammeln, ist zur Norm geworden. Webseiten, Apps, Software, Spiele, News, Social Media sind immer mehr ohne Bezahlung erhältlich. Die Monetarisierung erfolgt für den Nutzer unsichtbar. Seine Daten werden gesammelt, verknüpft und Profile werden von ihm erstellt und verkauft. Meist endet dies heute bei gezielter Werbung. Datenprofile, auch diese, wo nur Metadaten aufzeichnen oder pseudo-anonymisiert sind, sagen jedoch viel mehr über uns aus als die Datenpunkte im Einzelnen. So wurde schon heute in gewissen Ländern ein Punktesystem erstellt, welches die Menschen in verschiedene Gruppen einteilt und Folgen hat, wie unter anderem auf die Kreditwürdigkeit. Zusammen mit der voranschreitenden Abschaffung des Bargeldes kommt eine verwehrte Kreditkarte einem Ausschluss aus der Gesellschaft gleich.

Privatsphäre im Volk

Viele Gedanken gehen im Alltag für den Durchschnittsbürger nicht in Richtung Privatsphäre. Es werden Gratisprodukte, Rabattpunkte und Sonderangebote genossen. Direkt angesprochen erhält man meistens ein „ist mir egal“, „ich habe nichts zu verstecken“ oder „ich habe nichts gegen Werbung“. Einzelne Augenblicke von Angst gibt es ab und zu eher zufällig. Etwa als eine Messenger App die Datenschutzverordnung anpasste, ist dies viral gegangen und viele wechselten zu einem anderen Anbieter, nur um später wieder aus Bequemlichkeit zurückzuwechseln. Vermutlich ist dies der eigentliche Grund, dass das Thema Privatsphäre so unbeliebt ist. Es ist den Leuten nicht egal, sondern es ist unbequem und oft technisch kompliziert.

Webcam abkleben

Sehr erfolgreich scheint sich das Abkleben der Laptop Kamera bei der Allgemeinheit durchgesetzt zu haben. Es handelt sich hierbei um etwas Einfaches, das jeder verstehen und umsetzen kann, ein schwarzer Klebestreifen auf die Webcam machen. Dies führt mit kleinem Aufwand zu einer Lösung zu der Gefahr, dass wir in unserem Haus heimlich gefilmt werden könnten. Sobald es um unsere Körper geht, scheinen doch einige etwas zu verstecken zu haben.

Social Media Abhörung

Eine beliebte Geschichte:

„Ich habe mit meinem Freund über Lunas Ernährung gesprochen. 15 Minuten später erhielt ich Werbung für Hundefutter. Die hören mich ab!“

Während dies technisch möglich ist, ist es eher unwahrscheinlich, so wie Apps, Android, iOS und die Praktiken von Social Media funktionieren. Oft handelt es sich nur um einen Zufall des Zeitpunktes. Dass die Person einen Hund hat, dürfte dem Unternehmen bekannt sein, durch ein automatisch erstelltes Profil aus Daten wie etwa geklickter Werbung, besuchte Seiten, Suchanfragen und Likes. So ist auch Hundefutter Werbung nicht überraschend. Allgemein gilt, dass es wirkungsvollere, kreativere und subtilere Wege gibt für solche Firmen. So hat unter anderem ein großer Fast Food Anbieter in dessen Filialen Ultraschall-Signale versendet. Über dessen App wird das Signal empfangen und die Leute so verfolgt[1]. Das geht ins ähnliche, ist aber zu kompliziert, dass es die Allgemeinheit interessieren würde. Der Fast Food Anbieter hat auch keine Gespräche abgehört, sondern Metadaten (Standort, Zeit, Dauer, Kontakte, etc.). Allgemein wird es mehr akzeptiert, wenn Firmen Metadaten sammeln und dementsprechend ist es weniger geregelt als handfeste Daten wie ein Gespräch oder der Inhalt einer Textnachricht. Für eine strategische Datenauswertung kann es jedoch schnell wertvoller sein etwa zu wissen, wo 100 Personen gerade sind und wohin sie sich bewegen, als was Sie jemandem schreiben.

Die digitale Massenverteidigung

Der beste Weg Privatsphäre an die Leute zu bringen ist also Einfachheit. Paranoid.is bringt diese Einfachheit nicht. Vielmehr tiefere und weiterführende Themen für die, die sich sowieso für Sicherheit und Privatsphäre interessieren. Die Lesenden sind dann in der schwierigen Lage, die Themen auf einfache Weise an Freunde und Familie weiterzugeben. Etwa, die Oma auf einen privateren Messenger zu wechseln, den Freund von Social Media loszureißen und Papa die neuste Smart Bulb auszureden. Ein Schritt nach dem anderen.

Dumme Glühbirne
Zum Glück gibt es noch dumme Glühbirnen.[2]

Referenzen